identifying the tendency to drop out in dual studies instrument (MISANDS)

Abstract:

 This publication proposes a measuring instrument for the multidimensional recording of the tendency of dual students to drop out of university. However, parts of this instrument can also be used for "traditional” students. The basis was an instrument for recording the tendency of trainees to drop out (Deuer, 2006). As part of the research project “Course of studies – setting the course, success criteria and hurdles in the course of dual studies at the DHBW”, the instrument was adapted to dual students (Deuer et al., 2017). The test analysis is based on first-year students who took part in the second panel wave (March 2017) and has a sample size of N = 1429 dual students from the three study areas of social work, technology and economics at the Baden-Württemberg Cooperative State University (DHBW). The current version of the measuring instrument is based on 8 items. The explorative factor analysis shows a two-factor structure and was confirmed by a confirmatory factor analysis. Overall, the subscales can show a good measurement accuracy. The verification of the prognostic validity is based on the actual drop-outs, on university administration data 22 months after the data collection (January 2019), based on Receiver-Operating-Characteristic curves (ROC curves), and shows acceptable values.  less

  • Language Documentation: deutsch
  • Language Items: German
  • Number of Items: 8
  • Reliability: Cronbachs Alpha = .86 bis .88; Raykovs Rho = .87 bis .88
  • Validity: Hinweise auf inhaltliche und faktorielle Validität sowie auf prognostische Validität
  • Construct: studiengangsbezogene Abbruchneigung, ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung
  • Catchwords: Studium, Studienabbruch, duales Studium, Studienerfolg | study, abortion of studies, dual studies, success in studies
  • Item(s) used in Representative Survey: nein
  • Status of Development: validiert

Instrument

Instruktion

Auf einen Einleitungstext wurde aus forschungsökonomischen Gründen verzichtet. Hierbei spielt eine Rolle, dass die vorliegenden Items relativ leicht verständlich formuliert sind.

Items

Die Items des MISANDS sind zu einer Hälfte positiv und zur anderen Hälfte negativ formuliert. Sie sind zusammen mit ihren korrespondierenden Subskalen in der Tabelle 1 dargestellt. Die Reihenfolge der Items wurde in der Validierungsstudie sukzessiv nach gleichen Itembündeln und abwechselnd nach den Konstrukten erfasst (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1

Items des MISANDS

Nr. Item Polung Subskala
1 Sind Sie alles in allem mit Ihrem jetzigen Studiengang zufrieden? + studiengangsbezogene
Abbruchneigung
2 Sind Sie alles in allem mit Ihrer jetzigen Ausbildungsstätte/Praxisstelle zufrieden? + ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung
3 Würden Sie Ihren jetzigen Studiengang wiederwählen? + studiengangsbezogene
Abbruchneigung
4 Würden Sie Ihre jetzige Ausbildungsstätte/Praxisstelle wiederwählen? + ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung
5 Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihren Studiengang zu wechseln? studiengangsbezogene
Abbruchneigung
6 Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihre Ausbildungsstätte/Praxisstelle zu wechseln? ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung
7 Denken Sie aktuell daran, Ihren Studiengang zu wechseln? studiengangsbezogene
Abbruchneigung
8 Denken Sie aktuell daran, Ihre Ausbildungsstätte/Praxisstelle zu wechseln? ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung

Antwortvorgaben

Vierstufiges Antwortformat mit den Optionen 1 = ja, 2 = eher ja, 3 = eher nein, 4 = nein. Es wurde keine zusätzliche Antwortmöglichkeit angeboten.

Auswertungshinweise

Es wird empfohlen die Subskalen getrennt auszuwerten, da sie unterschiedliche Inhaltsdimensionen abbilden. Die Angaben der Items werden der jeweiligen Subskala zugeordnet und ungewichtet zu einem Mittelwert pro Subskala zusammengefasst. Die positiv gepolten Items erhalten die Codierung: 1 = ja, 2 = eher ja, 3 = eher nein, 4 = nein. Dagegen werden den negativ gepolten Items nachstehende Werte zugeordnet: 4 = ja, 3 = eher ja, 2 = eher nein und 1 = nein. Nicht bearbeitete Items können zu fehlenden Werten kodiert und somit ausgeschlossen werden. Sollten die Voraussetzungen für eine Imputation erfüllt sein (missing at random oder missing completely at random), können fehlende Werte nicht bearbeiteter Items dadurch ersetzt werden (Lüdtke, Robitzsch, Trautwein & Köller, 2007; Spieß, 2010). Allerdings wird empfohlen bei einer Online-Befragung die Items als Pflichtfragen zu markieren, um fehlende Werte zu vermeiden.

Anwendungsbereich

Die Skalen sind für dual Studierende konzipiert. Allerdings kann das Konstrukt studiengangsbezogene Abbruchneigung auch für alle Studierenden an Hochschulen verwendet werden. Es eignet sich für schriftliche Befragungen in paper-pencil- und Onlineerhebungen. Der Einsatz kann sowohl in der Grundlagen- als auch in der Anwendungsforschung wie beispielsweise bei der Evaluation von Maßnahmen zur Verbesserung von Studienbedingungen und Lehrqualität erfolgen. Aufgrund der hohen Reliabilitätswerte eignet sich das Instrument auch für die Individualdiagnostik. Der Einsatz wird in einer frühen Phase des Studiums empfohlen, da die meisten Studienabbrüche im ersten Studienjahr stattfinden (Chen, 2012). Allerdings kann das Instrument über die gesamte Studienzeit eingesetzt werden.

Theory

Studienabbrüche sind momentan ein viel diskutiertes Thema in der Wirtschafts- und Bildungspolitik (Ebert & Heublein, 2015; Sarcletti, & Müller 2011; Pohlenz, Tinsner & Seyfried, 2007). Ein Grund liegt in den relativ hohen Abbruchquoten, die vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) mit 32 Prozent für die Studienanfänger*innen aus den Jahren 2012 bis 2013 in einem Bachelorstudium an Universitäten ermittelt wurden bzw. mit 25 Prozent an Fachhochschulen (Heublein, & Schmelzer, 2018). Ein weiterer Grund kann darin gesehen werden, dass Studienabbruchquoten im Rahmen der Qualitätssicherung als Evaluationskriterium herangezogen werden, wie etwa bei (Re-)Akkreditierungen oder leistungsbezogener Mittelvergabe (Klein, & Stocké, 2016). Aus diesem Grund wächst der Bedarf ein Erhebungsinstrument zu kreieren, welches einen drohenden Studienabbruch in einer frühen Studienphase sichtbar macht, um intervenieren zu können. Vorliegende, uns bekannte Instrumente im deutschsprachigen Raum wie Georg (2008), Blüthmann, Thiel und Wolfgram (2011) oder Burger und Groß (2016) können einen ersten Beitrag zur Erhebung der Studienabbruchneigung hervorbringen. Allerdings ist nicht überprüft, wie verlässlich diese Instrumente einen tatsächlichen Studienabbruch prognostizieren können. Vor diesem Hintergrund wurde das Messinstrument zur Identifikation von Studienabbruchneigung im dualen Studium (MISANDS) entwickelt, das der standardisierten Erfassung von Studienabbruchneigungen dient und den vorliegenden Bestand ergänzt.

Unsere Überlegungen für das kreierte Messinstrument haben ihren Ursprung in der Hochschulforschung. Basierend auf den etablierten Modellen (Tinto, 1975; Bean, 1980; Heublein, & Wolter, 2011) integrieren wir die Annahme, dass Studienabbruch bzw. Studienerfolg aus dem Wechselverhältnis von Individuum und Institution resultiert. Empirische Studien erheben meist individuelle Faktoren zur Vorhersage von Studienerfolg (Richardson, Abraham & Bond, 2012), getrennt von Einschätzungen der institutionellen Lernumwelt (Schaeper & Weiß, 2016). Jedoch ist es nur allzu plausibel mit einem interaktionistisch theoretischen Ansatz die Schnittstelle zwischen Individuum und Institution zu explorieren.  

Unsere Überlegung knüpfen wir zudem an die Theorie des Rationalen Handelns an (Olson, 1968; Becker, 1982; Harsanyi, 1976) sowie an die Forschungen zur Zufriedenheit in Organisationen (Haarhaus, 2015; Westermann, Heise, Spieß & Trautwein, 1996) und folgen schließlich jüngeren Arbeiten der Studierendenforschung, die Hinweise auf Ursachen für Studienabbrüche geben (Petzold-Rudolph, 2018; Meyer-Guckel, & Jorzik, 2015; Brandstätter, Grillich, & Farthofer 2006). Im Einzelnen griffen wir bei den Items “Denken Sie aktuell daran, Ihren Studiengang/ Ihre Ausbildungsstätte/Praxisstelle zu wechseln?”, “Würden Sie Ihren jetzigen Studiengang/ Ihre jetzige Ausbildungsstätte/Praxisstelle wiederwählen?” und “Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihren Studiengang/ Ihre Ausbildungsstätte/Praxisstelle zu wechseln?” auf die Theorie des Rationalen Handelns zurück. Hier ist die Überlegung zentral, dass ein Studienabbruch dann geschieht, wenn Studierende mehr Aufwand als Nutzen im weiteren Studium sehen und folglich nicht mehr nutzenmaximierend handeln können. Das Itembündel “Sind Sie alles in allem mit Ihrem jetzigen Studiengang zufrieden?” bzw. “Sind Sie alles in allem mit Ihrer jetzigen Ausbildungsstätte/ Praxisstelle zufrieden?” geht auf die Annahme aus der Arbeits- und Organsiationspsycholgie zurück, dass zufriedene Mitarbeiter*innen auch leistungsfähiger sind (Haarhaus, 2015). Empirisch konnte gezeigt werden, dass sich hohe Zufriedenheit nicht nur positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt (Judge, Thoresen, Bono & Patton, 2001), sondern auch auf Gesundheit (Fischer & Sousa-Poza, 2009), Absentismus (Ybema, Smulders & Bongers, 2010), Wechselbereitschaft (Wright & Bonett, 2007), Produktivität (Patterson, Warr & West, 2004) und das Verhalten am Arbeitsplatz (Foote & Tang, 2008). Da die Situation von (insbesondere dual) Studierenden teils der von Arbeitnehmern ähnelt, kann bei der Analyse von Studienzufriedenheit auf die Forschung zur Arbeitszufriedenheit zurückgegriffen werden (Westermann & Heise, 2018). Zusätzlich griffen wir als Ausgangspunkt die Besonderheit der Dualität des dualen Ausbildungssystems auf. Wir integrierten in diesem Rahmen die Arbeiten von Deuer (2006) zur Früherkennung von Ausbildungsabbrüchen und adaptieren dies auf Studierende. Diese Adaption von der dualen Ausbildung auf das duale Studium ist plausibel, da beide Personengruppen gleiche Leistungen zu bewältigenden haben wie die Einhaltung von Terminen, das Ablegen von Prüfungsleistungen, die Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen, die Integration an neuen Lernorten sowie die Anpassung an neue Lehr-/Lernmethoden. Ein Schwerpunkt bildet bei der Instrumentenentwicklung die Passung auf das duale Studium, was sich unterteilt in Theoriephasen an der Hochschule und Praxisphasen in kooperierenden Ausbildungsstätten (Deuer, & Träger, 2015). Folglich wurde eine Dimension auf den Studiengang bezogen und eine weitere Dimension auf die Ausbildungsstätten. Wir legen unseren Fokus besonders auf die Studienanfangsphase, da an dieser Stelle die meisten Studienabbrüche geschehen und präventive Maßnahmen an dieser Stelle am sinnvollsten erscheinen (Schneider, 2010; Willcoxsen, Cotter, & Joy, 2011).

Scale development

Itemkonstruktion und Itemselektion

Die bereits aufgeführte Studie bei Auszubildenden von Deuer (2006) diente als Vorstudie für die Konstruktion des Instruments. Die Untersuchung (N = 594) war so konzipiert, dass jeweils drei Items (hypothetische Entscheidungswiederholung, Zufriedenheit mit der eigenen Entscheidung und aktuelle Wechselabsicht) zu den Dimensionen Beruf und Betrieb (Antwortvorgeben 1 = ja, 2 = eher ja, 3 = eher nein, 4 = nein) erhoben wurden. Die sechs Einzelitems wurden für eine Indexbildung künstlich dichotmoisiert, indem die Aussagen “ja” und “eher ja” sowie “nein” und “eher nein” zusammengefasst wurden. Gütekriterien der Skalen werden bei dieser Publikation nicht berichtet.

Die Weiterentwicklung des Instruments erfolgte im Jahr 2016 mit der ersten Panelwelle des DHBW-Forschungsprojekts “Studienverlauf – Weichenstellungen, Erfolgskriterien und Hürden im Verlauf des Studiums an der DHBW” (Deuer, Wild, Schäfer-Walkmann, Heide & Walkmann, 2017). Ziel war es, basierend auf der Identifikation einer Abbruchneigung, bereits in einem frühen Stadium des Studiums potentielle Studienabbrecher*innen zu identifizieren. Basierend auf den Richtlinien zur Item- und Skalenentwicklung nach Bühner (2006), Diekmann (2017), Lienert und Raatz (1998) sowie nach Döring und Bortz (2015) wurde eine überarbeite und auf (dual) Studierende angepasste Version des Instruments kreiert. Die erste Panelwelle des Forschungsprojekts diente als Pilotierung des Instruments. Wir nahmen hierbei drei Änderungen im Vergleich zur Studie von Deuer (2006) vor. Die erste Änderung bestand darin, dass wir die Dimension “Betrieb” zu “ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung” abänderten bzw. “Beruf” zu “studiengangsbezogene Abbruchneigung”. Die zweite Modifikation bestand darin, dass ein viertes Item zur jemals geäußerten Wechselabsicht in die beiden Dimensionen integriert wurde. Die dritte Erneuerung bestand darin, dass das Itembündel zur Zufriedenheit auf einer Skala mit den Endpunkten 1 = “sehr unzufrieden” und 5 = “sehr zufrieden” erfasst wurde.

Zwischen Panelwelle 1 (Juli 2016) und Panelwelle 2 (März 2017) fand von einem Expertenteam eine Begutachtung des Instruments statt. Zur Erhöhung der inhaltlichen Validität sowie zur Reduzierung der Schwierigkeit und kognitiven Leistungsentlastung der Probanden (Porst, 2014) wurde das Itembündel zur Zufriedenheit auf eine vierstufige Likert-Skala (Antwortvorgaben 1 = ja, 2 = eher ja, 3 = eher nein, 4 = nein) überführt. Somit besitzen alle Items des Instruments identische Antwortvorgaben.

Nach eingehender Analyse mit den Daten der Panelwelle 2 setzten wir anhand einer Hauptkomponentenanalyse 8 Items in zwei Dimensionen fest. Eine Itemselektion durch geringe Ladungen und/oder einer niedrigen Bedeutung für Cronbachs α der Skala war nicht begründet und wurde daher nicht durchgeführt. Basierend auf den 4 Items pro Dimension stehen nun zwei Skalen mit inhaltlicher Breite und jeweils auf den Untersuchungsfokus geschärfte Erhebungsinstrumente zur Verfügung.

Stichproben

Gesamtstudie

Die verwendeten Daten wurden in dem multiperspektivischen und -zentrischen DHBW-Forschungsprojekt “Studienverlauf – Weichenstellungen, Erfolgskriterien und Hürden im Verlauf des Studiums an der DHBW” (Deuer et al., 2017) erhoben, welches Studienverläufe und Studienerfolge im dualen Studium untersucht. Die DHBW ist in Baden-Württemberg an insgesamt 12 Standorten präsent und ein Studium kann grundsätzlich nur am 1. Oktober aufgenommen werden. Den Schwerpunkt dieser Studie bildet das Studierendenpanel, in dem jährlich alle rund 34.000 Studierenden der DHBW anhand einer Online-Erhebung befragt werden. Jede*r 50ste Teilnehmer*in erhielt einen Einkaufgutschein im Wert von 10 Euro. Die Datenschutzrichtlinien wurden eingehalten. Die ausschließlich mit Bachelorstudierenden durchgeführte Panelstudie kann bisher drei Wellen (Welle 1: Juli 2016 mit N = 5838; Welle 2: März 2017 N = 5697; Welle 3: März 2018 N = 7742) vorweisen. Zusätzlich können über die Hochschulverwaltung Studienabbrecher*innen (Stand: Januar 2019) als jegliche Exmatrikulierte an der DHBW ohne erfolgreichen Abschluss (Deuer et al., 2017) in den Datensätzen der Primärdatenerhebungen identifiziert werden. In den hier berichteten Stichproben haben die Teilnehmenden den MISANDS zum ersten Mal ausgefüllt.

Panelwelle 1

Für diese Stichprobe wurden 33093 Studierende der drei Studienbereiche Sozialwesen, Technik und Wirtschaft online eingeladen und befragt. Insgesamt 5838 Studierende (Rücklaufquote: 19.7 Prozent) folgten dieser Einladung. Der Anteil der weiblichen Studierenden betrug 50.2 Prozent. Das Durchschnittsalter lag bei 22.98 Jahren (SD = 2.95). Am stärksten war der Studienbereich Wirtschaft mit 57.8 Prozent vertreten. Die Anteile der Studierenden der Studienbereiche Technik und Sozialwesen betrugen 32.3 Prozent bzw. 9.9 Prozent. Zur Überprüfung der Repräsentativität wurden die Daten aus dem Hochschulverwaltungssystem DUALIS der DHWB herangezogen. Es zeigte sich, dass die Stichprobe das Alter gut getroffen hat. Leichte Verzerrungen ergeben sich für das Geschlecht und die Studienbereiche: Die Stichprobe der Studie beinhaltet mehr weibliche Teilnehmende (7.8 Prozentpunkte) und Studierende des Studienbereichs Sozialwesen sind gering überrepräsentiert (2.4 Prozentpunkte) während Studierende des Studienbereichs Wirtschaft etwas unterrepräsentiert sind (2.2 Prozentpunkte).

Panelwelle 2

Im Rahmen der zweiten Panelwelle (März 2017) wurden 31694 Studierende der drei Studienbereiche Sozialwesen, Technik und Wirtschaft online befragt. Hierbei konzentrieren wir uns bei dieser Instrumentenanalyse ausschließlich auf die Studierenden des ersten Studienjahres, da Studienabbruch besonders häufig im ersten Studienjahr erfolgt und wir tatsächliche Studienabbrecher*innen rund 22 Monate nach der Datenerhebung (Januar 2019) identifizieren können.

Insgesamt 2091 Studierende, die sich im ersten Studienjahr befinden (Rücklaufquote: 17.4 Prozent), haben sich an der Umfrage beteiligt. Weil im Durchschnitt 32 Prozent (Range: 31 bis 32 Prozent) der 8 Items des MISANDS fehlende Werte aufweisen, ersetzten wir keine fehlenden Werte, sondern verwendeten ausschließlich Personen, die bei allen 8 Items ein Urteil abgaben. Dies kann damit begründet werden, dass eine Imputation nur bis 30 Prozent fehlender Werte sinnvoll erscheint (Rost, 2013). Des Weiteren kann argumentiert werden, dass in dieser Untersuchung Personen mit höherer Studienabbruchtendenz möglicherweise seltener an der Umfrage teilgenommen haben können und somit die Annahme “Missing not at random” greifen kann, was die Schätzung von zuverlässigen fehlenden Werten ebenfalls erschweren kann.

Nach dieser Bereinigung ergab sich ein finales N von 1429 Studierenden. Insgesamt nahmen 57.4 Prozent weibliche Studierende teil. Das Durchschnittsalter lag bei 21.78 Jahren (SD = 2.90). Am stärksten war der Studienbereich Wirtschaft mit 56.9 Prozent vertreten. Die Anteile der Studierenden der Studienbereiche Technik und Sozialwesen betrugen 33.1 Prozent bzw. 10 Prozent. Zur Überprüfung der Repräsentativität wurden die Daten aus dem Hochschulverwaltungssystem DUALIS der DHWB herangezogen. Es zeigte sich, dass die Stichprobe das Alter gut getroffen hat. Leichte Verzerrungen ergeben sich wie in Panelwelle 1 für das Geschlecht und die Studienbereiche: Die Stichprobe der Studie beinhaltet etwas mehr weibliche Teilnehmende und Studierende des Studienbereichs Sozialwesen sind gering überrepräsentiert während Studierende des Studienbereichs Wirtschaft leicht unterrepräsentiert sind.

Itemanalysen

Hauptkomponentenanalyse

Eine Hauptkomponentenanalyse für die 8 Item-Version des MISANDS führt zu einer entsprechend den theoretischen Vorannahmen erzeugten zwei-Komponentenlösung. Wir verwendeten hier die Oblimin-Rotation, da die betriebliche Komponente ein Teil des Studiums ist und sich somit Überschneidungen rechtfertigen lassen. Der KMO-Wert beträgt .79 und der Bartlett-Test auf Sphärizität ist höchst signifikant ≤ .000. Insgesamt lassen diese Kennwerte auf eine Brauchbarkeit der Analyse schließen. Die Lösung mit zwei Faktoren lässt sich auch nach dem Eigenwerteverlauf (s. Abbildung 1) rechtfertigen (3.95, 1.86). Es können 73 Prozent der Varianz aufgeklärt werden. Die zwei Komponenten sind die folgenden: studiengangsbezogene Abbruchneigung und ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung. Kommunalitäten lagen bei h2 ≥ .62. Die Faktorladungen sind bei den hergeleiteten Faktoren a ≥ .77.

Abbildung 1. Screeplot mit Eigenwertverlauf

Konfirmatorische Faktorenanalyse

Die angenommenen zwei Dimensionen des Messinstruments wurden durch eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit der Software Mplus 7.1 (Muthén & Muthén, 2012) überprüft. Aufgrund der Verletzung der Normalverteilungsannahme wurde das Modell mit robuster Maximum Likelihood Schätzung (MLR) berechnet. Zusätzlich wurden Korrelationen zwischen den ähnlich formulierten Itembündeln wie “Sind Sie alles in allem mit Ihrem jetzigen Studiengang zufrieden?” und “Sind Sie alles in allem mit Ihrer jetzigen Ausbildungsstätte/Praxisstelle zufrieden?” zugelassen (Urban & Mayerl, 2014). Das Modell liefert mit Daten der Stichprobe einen annehmbaren Fit mit Chi2 = 208.97, df = 15, < .001; CFI = .95; RMSEA = .09 (90%CI = .08-.11) und Faktorladungen von λ ≥ .69 sowie Residuen von ε ≤ .53 in der standardisierten Modelllösung, wodurch die Struktur des MISANDS belegt wurde (s. Abbildung 2). Die latenten Faktoren der Subskalen weisen eine mittlere und hochsignifikante Interkorrelation (Ψ = .37; < .001) auf. Die Residualkorrelationen variieren zwischen θ = .06 und θ = .08.

Abbildung 2. Messmodell für den MISANDS mit standardisierten Pfadkoeffizienten und Residuen, N = 1429.

Itemkennwerte

In Tabelle 2 sind die Itemkennwerte des MISANDS abgebildet. Die deskriptive Analyse zeigt, dass die Items Boden- bzw. Deckeneffekte besitzen. Ungeachtet dessen deuten die breiten Standardabweichungen auf eine hinreichende Streuung hin. Außerdem ist die Trennschärfe als gut einzustufen.

Tabelle 2

Mittelwerte, Standardabweichungen und Trennschärfen der manifesten Items

  Mittelwert Standardabweichung Trennschärfe
Item 1 1.64 .68 0.64
Item 2 1.52 .73 0.71
Item 3 1.62 .78 0.71
Item 4 1.62 .87 0.74
Item 5 3.33 .97 0.76
Item 6 3.41 .96 0.77
Item 7 3.67 .69 0.75
Item 8 3.72 .69 0.74

Anmerkung. Skala von 1 (= ja) bis 4 (= nein), = 1429.

Quality criteria

Objektivität

Dem MISANDS ist aufgrund des standardisierten Vorgehens eine hohe Durchführungsobjektivität zuzuschreiben. Aufgrund der einfachen Mittelwertbildung nach dem Rekodieren von zwei Items pro Subskala kann für dieses Instrument ebenfalls Auswertungs- und Interpretationsobjektivität angenommen werden.

Reliabilität

In der vorliegenden Stichprobe liegt die interne Konsistenz der einzelnen Skalen zwischen α = .86 und α = .88. Aufgrund der Tatsache, dass den Subskalen unterschiedliche Faktorladungen zugrunde liegen und folglich tau-kongenerisch sind, kann Cronbachs α keine zuverlässige Schätzung der Reliabilität liefern (Cortina, 1993). Aus diesem Grund ziehen wir zusätzlich zu Cronbachs α Raykovs ρ heran (Raykov, 1997). Die Resultate der Schätzung sind in Tabelle 3 dargestellt.

Tabelle 3

Cronbachs α und Raykovs ρ für die Subskalen des MISANDS

  Itemzahl Cronbachs α Raykovs ρ
studiengangsbezogene Abbruchneigung 4 .86 .87
ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung 4 .88 .88

Anmerkung= 1429.

Validität

Inhaltliche und faktorielle Validität

Aufgrund der Begutachtung der Items von einem Expertenteam kann die inhaltliche Validität des Instruments angenommen werden. Die zunächst durchgeführte explorative Faktorenanalyse konnte die zwei theoretisch hergeleiteten Dimensionen aufweisen. Die anschließend durchgeführte konfirmatorische Faktorenanalyse bildete die Faktorenstruktur ab.

Konstruktvalidität

Studienabbruch ist als Resultat komplexer und mehrdimensionaler Interaktionsmuster anzusehen und lässt sich nicht aus einem simplen Ursache-Wirkung-Zusammenhang heraus erklären (Meyer-Guckel & Jorzik, 2015). Aus diesem Grund gestaltet sich die Überprüfung der Konstruktvalidität schwer. Hier wäre die Überprüfung an den bisher eingesetzten Instrumenten von Georg (2008), Blüthmann et al. (2011) oder Burger und Groß (2016) sinnvoll.

Konkurrenten Kriteriumsvalidität

Die Überprüfung der konkurrenten Kriteriumsvalidität ist ein weiteres zentrales Prüfkriterium für Folgestudien. Nach Heublein et al. (2017) gehört mangelnde Studienleistungen zu den wichtigsten Ursachen des Studienabbruchs. Folglich wäre hier der Zusammenhang zwischen den Skalen des MISANDS mit dem Grade Point Average (GPA) zu überprüfen.

Prädiktive Validität

Zur Ermittlung der prädiktiven Validität wurden für die Daten in Panelwelle 2 (März 2017) tatsächliche Studienabbrüche (Januar 2019) ca. 22 Monate nach der Datenerhebung gegenübergestellt. Hierfür wurde eine ROC (Receiver-Operating-Characteristic)-Analyse eingesetzt (Zhou, Obuchowski & McClish, 2011). Dieses Verfahren ermöglicht es für einzelne Schwellenwerte die Gütekriterien Sensitivität und Spezifität zu berechnen. Für jeden möglichen Schwellenwert wird der jeweilige Anteil richtig positiver Ergebnisse (Sensitivität) gegen den Anteil falsch positiver Ergebnisse (1-Spezifität) gegenübergestellt, indem diese in einem Schaubild abgetragen werden. Daraus ergibt sich die ROC-Kurve. Die Fläche unter der ROC-Kurve, die sogenannte Area under the curve (AUC), gilt dabei als ein Maß für die diagnostische Güte eines Testinstrumentes. Dieser Werte liegt zwischen 0 und 1. Ein Wert von 1 bedeutet, dass das Instrument alle Personen, sowohl für Studienabbruch und keinen Studienabbruch richtig vorhersagt. Ein Test ohne diagnostische Trennschärfe würde dagegen einer 45°-Diagonale (Bezugslinie) als ROC-Kurve entsprechen und die Fläche von 0.5 besitzen. Der Test würde dann zufällig “Studienabbruch” oder “kein Studienabbruch” vorhersagen.

In der vorliegenden Analyse ist die studiengangsbezogene Abbruchneigung AUC = .68 bzw. die ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung AUC = .60. Nach unserem Wissen existieren keine verbindlichen Interpretationen dieser Werte in der Literatur. Abbildung 3 zeigt die Visualisierung der Analyse in einem Schaubild. Da die Werte über und in der Nähe der Bezugslinie sind und die Fläche relativ weit von AUC = 1 weg ist, interpretieren wir die Gütekriterien für die prädiktive Validität des Instruments als “hinnehmbar”.

Abbildung 3. Kurven der Receiver-Operating-CharakteristikN = 1429.

Die zusätzlich berechneten punkt-biserialen Korrelationen zwischen den beiden Subskalenscores und der dichotomen Variable Nicht-Abbrecher*innen (Merkmalsausprägung = 0) vs. Abbrecher*innen (Merkmalsausprägung = 1) zeigen kleine Effekte auf. Für studiengangsbezogene Abbruchneigung ist der Koeffizient rbis = .25 (p ≤ .001). Die ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung weist den Wert rbis = .17 (p ≤ .001) auf. Dieses Ergebnis zeigt somit eine gewisse Aussagekraft des Instruments auf.

Deskriptive Statistiken (Normierung)

Die zwei Skalen weisen eine positive Schiefe auf, d.h. es handelt sich um eine rechtsschiefe Datenverteilung mit kleinen Mittelwerten. Die Kurtosis ist hoch positiv, was auf eine spitze Verteilung hinweist. Tabelle 4 zeigt die detaillierten Ergebnisse.

Tabelle 4

Mittelwert, Standardabweichung, Schiefe und Kurtosis der manifesten Subskalenwerte

  M SD Schiefe Kurtosis
studiengangsbezogene Abbruchneigung 1.57 .66 1.46 1.82
ausbildungsstättenbezogene Abbruchneigung 1.50 .70 1.63 2.10

Anmerkung= 1429.

Nebengütekriterien

Die Items des MISANDS können in zwei bis drei Minuten ausgefüllt sowie in einer kurzen Zeit von 5 Minuten ausgewertet werden. Somit kann von einem ökonomischen Instrument ausgegangen werden. Primär sollte die vorliegende Itembatterie in der Studieneingangsphase eingesetzt werden. Der Einsatz des Instruments ist für unterschiedliche Studiengänge möglich.

Weiterführende Literatur

Deuer, E. & Wild, S. (2017). Die Messung der Abbruchneigung im Rahmen der ersten Erhebungswelle des DHBW-Studierendenpanels – Begründung und Entwicklung eines Instruments zur Früherkennung von Studienabbrüchen. Forschungsbericht 2/2017 [Measurement of drop-out tendency in first panel wave of Baden-Wuerttemberg Cooperative State University – Justification and development of a tool for the early detection of student drop-out. Research paper 2/2017]. Stuttgart, Deutschland: Duale Hochschule Baden-Württemberg.

Deuer, E., & Wild, S. (2018). Validierung eines Instruments zur Erfassung der Studienabbruchneigung bei dual Studierenden. Forschungsbericht 4/2018 [Validation of an instrument for measuring student drop-out tendency for co-op students. Research paper 4/2018]. Stuttgart, Deutschland: Duale Hochschule Baden-Württemberg.

Contact

  • Ernst Deuer, Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg, Marktstraße 28, 88212 Ravensburg, E-Mail: [email protected]
  • Steffen Wild, Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg, Marktstraße 28, 88212 Ravensburg, E-Mail: [email protected]
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